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  Brief an Minister Stegner

 

 

Brief an den
Vorsitzender der SPD Landtagsfraktion
Herrn Ralf Stegner

Holtenau, den 02.07.08

Sehr g.....
Entschuldigen Sie bitte, ich möchte nicht lügen und unterlasse daher die förmliche Anrede.

Nachdem ich den Artikel 'Nicht in Sack und Asche gehen' in den Kieler Nachrichten gelesen, habe ich festgestellt, daß bei der Analyse der Wahlschlappe mit keinem Wort die möglicherweise ausschlaggebenden Punkte erwähnt wurden. Darum erlaube ich mir, Ihnen und allen Landtagsabgeordneten der großen Koalition des Schleswig-Holsteinischen Landtages ungefragt mitzuteilen, warum ich keinen Abgeordneten der großen Koalition gewählt habe und sehr wahrscheinlich in absehbarer Zeit nicht wählen werde.

Als nach dem Debakel der Landtagswahl die große Koalition die Regierungsarbeit übernahm, hoffte ich, daß die Regierung nun in der Lage sei, zumindest einen Teil der anstehenden Probleme in gemeinsamer Arbeit zu lösen.

Das war ein Irrtum. Die erste Aufsehen erregende Leistung dieser Regierung war, die Mehrheit nutzend, statt sich mit den überbordenden Problemen der Gegenwart zu beschäftigen, die eigenen Einkommen erheblich zu erhöhen. Nachdem man schon jahrelang verfassungswidrige Gehälter bezogen hatte, predigte die Regierung zwar Sparen, mutete dem Steuerzahler zugleich rücksichtslos zu, zukünftig und zusätzlich weit mehr als 2 Mio. für die Einkommen der Abgeordneten aufzubringen. Eine hervorragende Leistung, die von den Wählern bei der letzten Kommunalwahl, das scheint sicher, entsprechend honoriert wurde. Zugleich haben sich die Abgeordneten des Landtags damit wahrscheinlich ein Ansehen verschaffen, das zwischen Raubrittertum und Salonganoven angesiedelt sein könnte.

Glaubte ich nach dem ersten Reinfall noch, nun wird die Regierung, ihre große Mehrheit nutzend, sinnvoll arbeiten, so fühlte ich mich abermals getäuscht. Es folgte ein ständiges Parteien-Geplänkel, das oftmals den Eindruck stärkte, da reden Schwachsinnige.

Ein weiterer Punkt, bei dem sich mir die Haare sträuben, sind die von der Bundes- und der Landesregierung als Reformen angekündigten Veränderungen der Gesetze. Fertigt man aus diesen inzwischen gesetzlich verankerten Reformen, ein Bild, so drängt sich mir der Gedanke auf, daß diese 'sogenannten' Reformen, gesteuert von Lobbyisten, die gesetzlichen Grundlagen schaffen sollen, auf denen die Leibeigenschaft wieder eingeführt werden kann. Die Tatsache, daß gerade in den letzten Jahren die Armen ärmer, viele Kinder nicht einmal mehr satt zu essen haben, die Gewinne der Unternehmen nur so sprudeln und Aufsichtsräte großer Unternehmen sich Einkommen genehmigen, die einen Rechtstaat verhöhnen, härten den Verdacht.

Ich weiß, dies ist eine einseitige Betrachtung, nämlich die eines Wählers, der in seinem Leben schwer und sinnvoll gearbeitet hat, der viele Jahre die SPD gewählt und nun auf Grund dieser Beobachtungen politikverdrossen wurde.

Daß Sie von dieser kritischen Betrachtung nicht begeistert sein werden, verstehe ich. Daß sie etwas ändert, glaube ich nicht. Aber es ist das Bild, das die Leistungen der großen Koalition auf Straßen und Märkten spiegelt. Ein Bild, wie es von vielen Nicht- und Protestwählern noch lange Zeit gesehen wird.

Und noch eins: In diesem Bild wirkt Ihr Bekenntnis "Wir haben ein Glaubwürdigkeitsproblem" lächerlich und genügt nicht, um das verspielte Vertrauen bei den Wählern zurück zu gewinnen.

Es grüßt

Heinz Rehn


In einem Antwortbrief schrieb Stegner am 18.07.08: Die Bezüge der Landtags Abgeordneten seien neu geregelt, so daß die Abgeordneten nun eigenverantwortlich ihre Altersbezüge zu regeln haben.

Ferner sei ein Abgeordnetenmandat ein Vollzeitjob, der entsprechend der Qualifikation der Landesvertreter bezahlt werden müsse. Zudem weist er darauf hin, daß die schleswig-holsteinischen Abgeordneten der SPD die überzogenen Diätenpläne des Bundestages mit Erfolg abgelehnt haben.

Schließlich bemerkt er, daß die SPD in der großen Koalition gemeinsam mit den Gewerkschaften auf den Gebieten der Schulreform, der Kinderbetreuung, im Kampf um Mindestlöhne, die Stärkung der Arbeitnehmerrechte und für die Absicherung der Beschäftigten viel geleistet hat.

Zudem weist er darauf hin, daß die SPD-Politiker des Landes mit dafür gesorgt haben, daß die in der Tat überzogenen Diätenpläne des Bundestages abgelehnt wurden.

Sicher, mein Brief über das politische Wirken im Landeshaus der letzten Jahre ist von einem Standpunkt geprägt — vom Standpunkt eines Wählers, der von der Straße das Geschehen im Landeshaus betrachtet hat. Und jeder Standpunkt hat einen begrenzten Horizont. Daß man auch im Landeshaus bemüht ist, die ständig neuen Probleme des Alltags zu regeln, ist schließlich auch eine Aufgabe der gewählten Politiker. Im übrigen, so denke ich, spricht das Antwortschreiben für sich. Ein Zerlegen ist überflüssig.

Heinz Rehn

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